Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten Gedenkstätte und Museum Sachsenhausen

Gebetbuch aus Pappe und Betriebsformularen

Gebetbuch aus Pappe und Betriebsformularen

Dieses kleine, 10,6 x 7,6 cm große Büchlein ist ein handgefertigtes Gebetbuch. Zofia Sukow, verheiratete Czaplicka, fertigte es während ihrer KZ-Haft im Außenlager der Dreilinden Maschinenbau GmbH, einem Tochterunternehmen der Robert Bosch GmbH in Kleinmachnow. Die Firma stellte Zubehörteile für Flugzeugmotoren her. 

Zofia, damals Sukow, Jg. 1924, gehörte im August 1944 zu den rund 60.000 Polinnen und Polen, die nach der Niederschlagung des Warschauer Aufstandes gegen die deutschen Besatzer willkürlich verhaftet, in Konzentrationslager verschleppt und zur Zwangsarbeit gezwungen wurden. Nach kurzem Aufenthalt im Frauenkonzentrationslager Ravensbrück kam sie am 12. September 1944 in das dem KZ Sachsenhausen unterstellte Außenlager in Kleinmachnow.

Die insgesamt rund 765 Häftlingsfrauen mussten in 12-Stunden-Wechselschichten arbeiten. Untergebracht waren sie in fensterlosen, feuchten und unbeheizten Stuben in einem Luftschutzkeller unterhalb ihrer Werkhalle.

Sukow verwendete für die Herstellung des Gebetbuchs 18 DIN A5 große Betriebsformulare der Dreilinden Maschinenbau GmbH, die sie mit weißem Garn zusammenfügte. Die Vorderseite ist verziert mit Kreuzstichen, einem Kreuz und trägt den Titel „Badz Wola – Twoja“ [Dein Wille geschehe], einer Zeile aus dem Vaterunser. Auf 24 Seiten hat sie 44 katholische Gebete und Litaneien handschriftlich geschrieben.

Die Ausübung ihres katholischen Glaubens spielte für Zofia Sukow, wie insgesamt innerhalb der polnischen Häftlingsgruppen, eine große Rolle. Obwohl nicht grundsätzlich verboten, musste dies heimlich stattfinden. Eine Mitgefangene erinnerte sich, dass in ihrer Stube jeden Abend ein Gebet gesprochen wurde.

Die Produktion in der Fabrik wurde Mitte April 1945 eingestellt. Die rund 400 Häftlingsfrauen wurden mit einem Sonderzug über Berlin-Wannsee nach Oranienburg verbracht. Von hier aus mussten sie wenige Tage später am sogenannten Todesmarsch Richtung Norden teilnehmen.

Ein Eintrag im Gebetbuch markiert diesen Abschnitt. Auf Seite 27 notiert Zofia Sukow den Beginn der Evakuierung. Eine getrocknete und gepresste Glockenblume, die sie in der ersten Pause auf dem Todesmarsch gepflückt hat, liegt noch heute in dem Büchlein.

Zofia Sukow überlebte den Todesmarsch und kehrte nach Warschau zurück.

Ein Faksimile dieses Exponats wird in der Dauerausstellung "Das Konzentrationslager Sachsenhausen 1936-1945. Ereignisse und Entwicklungen" in der ehemaligen Häftlingsküche gezeigt.

Gebetbuch von Zofia Czaplicka, geb. Sukow, 1944-45, Gedenkstätte und Museum Sachsenhausen, Inv.-Nr. 95.00106.2, Fotos: Cordia Schlegelmilch, Berlin.

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