Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten Gedenkstätte und Museum Sachsenhausen

Exkursion unseres Fördervereins in die KZ-Gedenkstätte Mittelbau-Dora am 12./13. Oktober 2024

Die Vorgeschichte des KZ Mittelbau-Dora liegt in Peenemünde, Ziel einer früheren Exkursion unseres Fördervereins. Dort auf Usedom befanden sich eine Forschungs- und Versuchsstätte des Heeres und der Luftwaffe. Hier wurden die „Vergeltungswaffen“ (V-Waffen), die Flugbombe Fi 103 der Luftwaffe (V 1) und die Rakete A 4 des Heeres (V 2), entwickelt und getestet. Der führende Kopf in Peenemünde war der Ingenieur Wernher von Braun, seit 1937 Leiter der Heeresversuchsanstalt in Peenemünde, später Chef der Weltraummissionen der USA. Ein Großangriff der britischen RAF am 18. August 1943 veranlasste NS-Deutschland dazu, die V-Waffen-Produktion in bombensichere Produktionsstätten in den Harz zu verlegen. Nur wenige Kilometer nördlich von Nordhausen wurde in einem aufgelassenen Gips-Bergwerk ein KZ errichtet: Mittelbau-Dora.

Hier trafen die ersten Häftlinge am 28. August 1943 ein. Sie schufteten als Arbeitssklaven in dem unterirdischen Stollensystem des Kohnsteins. Tag und Nacht wurden sie in den ersten Monaten in dem Stollen festgehalten, ohne natürliches Licht und frische Luft, wo sie bei mörderischem Tempo an der Montage der V-Waffen arbeiten mussten. Ein großer Teil der Häftlinge starb, auch aufgrund katastrophaler hygienischer Bedingungen und unzureichender Ernährung. Insgesamt wurden im KZ Mittelbau-Dora und seinen 40 Außenlagern etwa 60.000 Menschen aus 48 Nationen inhaftiert und ausgebeutet. Mindestens 20.000 von ihnen starben dort. Das Lager Dora wurde am 11. April 1945 von der US-Truppen befreit.

Die Leiterin der Bildungsabteilung der Gedenkstätte Mittelbau Dora, Frau Brita Heinrichs, empfing uns am ersten Tag der Exkursion. Sie gab uns einen kurzen Überblick über die Geschichte des historischen Ortes und stellte sich dann unseren Fragen. Das beherrschende Thema war, wie Geschichtsvermittlung in der heutigen Zeit angesichts wachsender Wählerzahlen für rechtspopulistische und rechtsextreme Parteien wirksam sein kann. Im Anschluss an unseren Gedankenaustausch erklärte uns Frau Heinrichs die Topographie des KZ Mittelbau-Dora und führte uns dann über einen noch erhaltenen Eingang in das Stollensystem. Ihre Schilderung des Leidens der Häftlinge sowie die Raumwirkung führte bei den Teilnehmern zu einem beklemmenden Gefühl. Hier konnte man, als ein zu höchster Leitung angetriebener unterernährter KZ-Sklave, nicht lange überleben. Diesen historischen Ortstermin vergisst man nicht.

Am folgenden Tag besuchten wir den Gedenkort Ellrich-Juliushütte, wo eines der Außenlager des KZ Mittelbau-Dora angesiedelt war. Herr Andreas Heise (der Gründer der Initiative „Gegen das Vergessen – Wir zeigen Gesicht“) und seine Mitstreiter:innen vor Ort, Frau Evelyn Schurzmann, Frau Sabine Heise, Frau Mareike Schult (Regionalbetreuerin der Stiftung Naturschutz Thüringen SNT/Grünes Band) und Herr Thomas Hanselmann (Direktor der Oberschule Herzberg am Harz), empfingen uns sehr freundlich. Sie erläuterten uns die Geschichte des Ortes Ellrich, der heute an der Grenze zwischen Thüringen und Niedersachsen liegt. In der NS-Zeit war für die deutsche Bevölkerung das Leiden und sterben der KZ-Häftlinge unübersehbar. Nur wenige halfen. Bewegend war es deshalb zu hören, dass an einem solchen Ort des Leidens und Sterbens auch solidarisches Handeln und Menschlichkeit zu verzeichnen ist. Der Vater von Frau Schurzmann, Gerhard Eisenächer, half einem französischen Zwangsarbeiter, dem Widerstandskämpfer Robert Lancon, zu überleben. Sie sahen sich viele Jahre nach der Befreiung bei einer Feier in der Gedenkstätte wieder. Lacons letzter Wunsch war, dass seine Asche am Todesort so vieler seiner Kameraden verstreut wurde. Eisenächer und seine Frau haben dessen Grab bis zu ihrem Lebensende gepflegt.

Bernward Dörner