Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten Gedenkstätte und Museum Sachsenhausen

1945-1950 Sowjetisches Speziallager

Entnazifizierung

Im Zusammenhang mit der alliierten Entnazifizierungspolitik richtete die sowjetische Besatzungsmacht nach der militärischen Niederschlagung des NS-Regimes in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) zehn Speziallager ein. Das Speziallager Nr. 7 (seit 1948 Nr. 1) in Sachsenhausen war mit 60.000 Häftlingen das weitaus größte dieser Lager. 12.000 Menschen starben hier in der Zeit von 1945 bis 1950 an Hunger und Krankheiten. Insbesondere die Herabsetzung der ohnehin knappen Rationen führte im "Hungerwinter" 1946/47 zu einem regelrechten Massensterben.

 

"Spezkontingent"

Das Speziallager Sachsenhausen war durch die Unterschiedlichkeit der Inhaftierten und die Multifunktionalität, die das Lager aus sowjetischer Perspektive hatte, gekennzeichnet. Mit rund 30.000 Menschen stellte das "Spezkontingent" den größten Anteil der Häftlinge, der in der "Zone I" des Lagers untergebracht war. Diese Häftlinge waren nach den Bestimmungen des Potsdamer Abkommens als Angehörige des NS-Machtapparates präventiv verhaftet und über Jahre ohne formelles Gerichturteil eingesperrt worden. Unter ihnen befanden sich vor allen Dingen untere und mittlere NS-Funktionäre, aber auch Angehörige von SS, Gestapo oder KZ-Wachmannschaften und Mitarbeiter von Ministerien und Behörden. Zur Gruppe der Internierten zählen auch einfache Mitglieder von NS-Jugendorganisationen, politische Gegner und willkürlich Verhaftete.

 

SMT-Verurteilte

Die zweitgrößte Gruppe waren mit rund 16.000 Personen die SMT-Verurteilten, von denen die weitaus meisten wegen angeblichen Widerstandes gegen die Besatzungsmacht in schauprozessartigen Verfahren nach brutalen Verhören und oft unter Folter erpressten Geständnissen zu hohen Haftstrafen verurteilt worden waren. Die SMT-Verurteilten wurden, abgetrennt von den Internierten, in der "Zone II" gefangen gehalten.

 

Wehrmachtsoffiziere

Dort waren zuvor rund 6.500 Wehrmachtsoffiziere untergebracht, die bereits aus amerikanischer Kriegsgefangenschaft entlassen worden waren und im Herbst 1946 in sowjetische Lager deportiert wurden.

 

Sowjetbürger

Schließlich waren im Speziallager Sachsenhausen mehr als 7.000 Sowjetbürger und russische Emigranten inhaftiert - sowjetische Kriegsgefangene, ehemalige Zwangsarbeiter und straffällig gewordene Rotarmisten. An der Unterschiedlichkeit der Häftlingsgruppen und der Multifunktionalität der Speziallager wird erkennbar, dass sie aus der Sicht der sowjetischen Besatzer nicht nur ein Instrument der Säuberung Deutschlands von den Nationalsozialisten waren, sondern vor allem auch dazu dienten, das sowjetische Machtmonopol durch präventive Verhaftungen, abschreckende Willkür und politische Verfolgung durchzusetzen.

 

Haftbedingungen

Nach den Erfahrungen in den provisorisch eingerichteten Gefängnissen und den brutalen Verhören hofften die meisten Häftlinge bei der Ankunft in Sachsenhausen auf bessere Haftbedingungen. Zwar boten die baulichen Einrichtungen des Lagers bessere Unterbringungsmöglichkeiten, doch waren die Baracken meistens überbelegt. Die Häftlinge schliefen häufig dicht gedrängt auf blanken Holzpritschen. Die katastrophalen hygienischen Verhältnisse, Mangel an Nahrung und Medikamenten, Kleidung und Heizmaterial führten zu Krankheiten, Epidemien und Massensterben, das 1947 seinen Höhepunkt erreichte. Wegen der fast vollständigen Isolation von der Außenwelt hießen die Speziallager auch „Schweigelager“. Sie waren keine Arbeitslager. Nur wenige Häftlinge konnten in Arbeitskommandos der Tatenlosigkeit und Monotonie des Barackenalltags entrinnen. In der Erinnerung der Zeitzeugen waren gerade Untätigkeit und Langeweile besonders zermürbend.

 

Entlassungen und Auflösung

Bei einer Entlassungswelle im Sommer 1948 wurden 5.062 Internierte, die von einer Kommission des sowjetischen Geheimdienstes als „minderbelastet“ eingestuft worden waren, entlassen. Bei der Auflösung des Lagers im Frühjahr 1950 wurden 1.902 Internierte und 5.151 SMT-Verurteilte entlassen. 4.836 Häftlinge des Speziallagers Sachsenhausen übergab der NKWD zur weiteren Haftverbüßung an die Behörden der DDR. 721 bisher nicht verurteilte Interniert ließ die DDR-Justiz in das Gefängnis Waldheim verlegen. In einer Serie von Geheim- und Schauprozessen, die unter Aufsicht der SED-Führung stattfanden, wurden die meisten Angeklagten wegen der ihnen zur Last gelegten Kriegsverbrechen zu langjährigen Haftstrafen verurteilt.

 

Massengräber

Die Toten des Speziallagers wurden in drei Massengräbern am so genannten Kommandantenhof, in der Gemarkung „An der Düne“ und im Schmachtenhagener Forst anonym verscharrt. Die Grabstätten wurden Anfang der 1990er Jahre als Friedhöfe gestaltet. Am Friedhof am Kommandantenhof, dem Gedenkort für die Opfer des Speziallagers, können Angehörige individuelle Namenstafeln für ihre Verstorbenen niederlegen. 2010 hat die Gedenkstätte ein Totenbuch mit den Namen der 11.890 Toten des sowjetischen Speziallagers Nr. 7 / Nr. 1 in Weesow und in Sachsenhausen veröffentlicht.

Dauerausstellung "Sowjetisches Speziallager Nr. 7 / Nr. 1"