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IfZ-Gutachten über Gisela Gneist unterstreicht Kritik an Straßenbenennung in Oranienburg

01. Dezember 2021

Heftige Kritik rief im vergangenen Jahr die Straßenbenennung nach Gisela Gneist im Neubaugebiet „Aderluch“ in Oranienburg hervor. Auch die Gedenkstätte Sachsenhausen hatte sich frühzeitig gegen die Benennung ausgesprochen. Ein von der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten beim Institut für Zeitgeschichte München-Berlin (IfZ) in Auftrag gegebenes unabhängiges Gutachten liegt jetzt vor. Die Autoren Prof. Dr. Frank Bajohr (Wissenschaftlicher Leiter des Zentrums für Holocaust-Studien am IfZ) und Prof. Dr. Hermann Wentker (Leiter der Abteilung Berlin des IfZ) stellten das Gutachten am vergangenen Montag gemeinsam mit Stiftungsdirektor Axel Drecoll bei einer Pressekonferenz in Oranienburg vor.

Das Gutachten legt den Schwerpunkt auf das Thema Gisela Gneist und die Erinnerungskultur nach 1989/90. Gisela Gneist war als Jugendliche vom sowjetischen Geheimdienst verhaftet worden und von 1946 bis 1950 im Speziallager Sachsenhausen unter unmenschlichen Bedingungen inhaftiert. Von 1995 bis zu ihrem Tod 2007 war sie Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Lager Sachsenhausen 1945-1950 e. V.

Bei der Vorstellung des Gutachtens sagte Stiftungsdirektor Axel Drecoll: „Die sowjetischen Speziallager waren Orte von Unmenschlichkeit, Rechtlosigkeit und Gewalt. Zu unserer demokratischen Erinnerungskultur gehört selbstverständlich, an das Leid der Speziallagerinhaftierten, zu denen auch Gisela Gneist gehörte, zu erinnern. Wir in der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten nehmen diese Aufgabe sehr ernst. Das Neubaugebiet ‚Aderluch‘ befindet sich auf dem Gelände des ehemaligen KZ-Außenkommandos „Zeppelin“, wo zwischen 1942 und 1945 hunderte KZ-Häftlinge, vor allem minderjährige Osteuropäer, unter unmenschlichen Bedingungen Zwangsarbeit leisten mussten. Personen, nach denen Straßen in einem solchen Gebiet benannt werden, müssen gerade hinsichtlich ihrer Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Diktatur und ihren Verbrechen über jeden Zweifel erhaben sein. Wir haben viel Verständnis für die persönliche Situation und die Erinnerungsanliegen einer ehemaligen Speziallagerinhaftierten; die Ergebnisse des Gutachtens verdeutlichen allerdings Gisela Gneists ausgesprochen problematische Haltung zur Aufarbeitung des NS-Regimes. Einer differenzierten Auseinandersetzung mit NS-Belastung und NS-Täterschaft unter den Speziallagerhäftlingen hat sie sich zudem offensichtlich komplett verweigert und auch Kontakte ins rechte und rechtsextreme Lager nicht gescheut.“

Gerade an einem solchen historischen Ort gelte es zudem, so der Stiftungsdirektor weiter, die Anliegen der KZ-Überlebenden und ihrer Angehörigen besonders zu berücksichtigen. Für viele von ihnen komme die jetzige Straßenbenennung einem Affront gleich. „Eine Straßenbenennung nach Gisela Gneist wird den historischen Gegebenheiten vor Ort nicht gerecht und ist aus Sicht der Gedenkstättenstiftung falsch. Eine Fortsetzung des bereits im Vorfeld geführten kritischen Dialogs mit Bürgermeister und Stadtverordneten ist dringend geboten“, so Drecoll abschließend.

Das vollständige Gutachten finden Sie HIER.

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