Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten Gedenkstätte und Museum Sachsenhausen

Presseinformationen

21/24: 79. Jahrestag der Befreiung der Häftlinge des KZ Sachsenhausen - Sozialministerin Nonnemacher: Orte wie Sachsenhausen zeigen auf erschütternde Weise, wohin Ausgrenzung, Hass und Ideologie führen

14. April 2024

Nr.: 21/2024

Zahlreiche Gäste aus dem In- und Ausland nahmen am heutigen Nachmittag an einer Gedenkveranstaltung anlässlich der Befreiung der Häftlinge des KZ Sachsenhausen vor 79 Jahren teil, unter ihnen die stellvertretende Ministerpräsidentin des Landes Brandenburg, Sozialministerin Ursula Nonnemacher, der Präsident des Internationalen Sachsenhausen-Komitees, Dik de Boef, und die stellvertretende Vorsitzende des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, Dotschy Reinhardt. Am zentralen Gedenkort „Station Z“ wurden Kränze und Blumen niedergelegt.

Die stellvertretende Ministerpräsidentin des Landes Brandenburg, Sozialministerin Ursula Nonnemacher, sagte: „So etabliert dieses jährliche Gedenken ist, so wenig selbstverständlich ist das gemeinsame Erinnern doch in einer Zeit, in der wir uns immer wieder aufs Neue mit ernsthaften Gefährdungen unserer Demokratie konfrontiert sehen und die stets auf unsere Geschichte verweisen. Das Ausmaß an antisemitischer Hetze, Übergriffen, Anfeindungen und Hass vielerorts in Deutschland ist erschütternd. Gewalt, Ressentiments und Ausgrenzung wiederholen sich. Vor wenigen Monaten trafen sich in Potsdam führende Rechtsextremisten mit Vertreter:innen demokratisch gewählter Parteien, um über sogenannte Remigrationspläne, also eine massenhafte Abschiebung und Vertreibung von Menschen mit Migrationsgeschichte aus Deutschland zu beraten. Grenzen können sich immer wieder verschieben – die Grenzen des Sagbaren, die Grenzen der Solidarität, Grenzen dessen, was wir als Gesellschaft tolerieren. Und deswegen sind die historischen Orte der nationalsozialistischen Verbrechen wie Sachsenhausen so bedeutsam. Sie verweisen uns auf die verschobenen Grenzen und zeigen auf erschütternde Weise, wohin Ausgrenzung, Hass und Ideologie führen.“

ISK-Präsident Dik de Boef: „79 Jahre ist die Befreiung des KZ Sachsenhausen her und wie in jedem Jahr haben wir uns hier zusammengefunden, weil wir nie vergessen werden, was hier an diesem Ort in den Jahren von 1936 bis 1945 geschehen ist. Es ist notwendiger denn je zu erinnern, weil durch die ganze Welt ein eisiger Wind weht, Parolen aus der Nazizeit wieder auf Straßen in Europa ertönen und Rechtsextremisten mit ihren Lösungen drohen, ein Netz über die Zukunft zu werfen. Wir müssen sehr laut und eindeutig dem Rechtsextremismus in Europa, aber auch weltweit entgegentreten. Wir alle sollten achtsam sein, vielleicht stehen wir an einer Wegmarke. Behalten wir unsere Demokratie oder geht Europa den Weg in Richtung zu Rechtsextremismus und Nationalismus? Ich hoffe, dass wir es gemeinsam schaffen, die Fahne für ein Europa mit Menschenrechten, Rechtsstaatlichkeit und demokratischen Institutionen hochzuhalten.“

Dotschy Reinhardt, stellvertretende Vorsitzende des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma: „Der seit Jahrhunderten tradierte Antiziganismus ist in unserem Land und in Europa weiter tief verwurzelt. Es ist die Aufgabe der gesamten Gesellschaft, den Antiziganismus genau wie den Antisemitismus in all seinen Formen zu ächten. Das Vermächtnis der 500.000 im Holocaust ermordeten Sinti und Roma ist ein Appell, dass der Rechtsstaat in all seinen Institutionen dem Antiziganismus entschlossen entgegentritt, weil er nicht nur eine Benachteiligung im Alltag, sondern auch die Munition für Gewalttaten von Rechtsextremisten und Nationalisten ist.“

Axel Drecoll, Direktor der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten: „Viele der Überlebenden haben aus ihren traumatischen Erfahrungen eine Zukunftsvision entwickelt. Sie machten sich für eine auf Respekt und Freiheit beruhende internationale Solidargemeinschaft stark. Im Internationalen Sachsenhausen-Komitee, dem vor 60 Jahren gegründeten Zusammenschluss von Überlebenden aus zahlreichen Ländern, lebten sie selbst diese internationale Solidargemeinschaft vor und warnten eindringlich vor der Wirksamkeit inhumaner Ideologien. Die mahnenden Stimmen der Überlebenden haben sich als besorgniserregend prophetisch erwiesen. Russland hat die Ukraine mit Krieg überzogen, in vielen Ländern geht die Angst vor weiteren Aggressionen um. In Deutschland werden Hassbotschaften und Hetze lauter, verbreiten sich Rassismus, Antisemitismus, Antiziganismus und Homophobie. Selbst hier in der Gedenkstätte haben antisemitische und israelfeindliche Schmierereien nach dem Massaker der Hamas in Israel erheblich zugenommen. Sachsenhausen verdeutlicht, wohin Wahnvorstellungen von völkischer Homogenität und Fremdenfeindlichkeit führen können und wie wichtig es ist, dass Solidarität und der Respekt vor der Würde jedes Menschen nicht nur angemahnt werden sollten, sondern gelebt werden müssen.“

Hintergrund:
Am 22./23. April 1945 erreichten sowjetische und polnische Soldaten das unmittelbar zuvor von der SS geräumte KZ Sachsenhausen, in dem zwischen 1936 und 1945 mehr als 200.000 Menschen inhaftiert waren. Mindestens 55.000 von ihnen starben an den unmenschlichen Haftbedingungen oder wurden Opfer von Mordaktionen der SS. Die Befreier fanden im Lager rund 3.000 kranke Häftlinge vor. Mehr als 30.000 Häftlinge befanden sich zu diesem Zeitpunkt auf einem Todesmarsch weiterhin in der Gewalt der SS, die in dieser Schlussphase nochmals mit besonderer Brutalität Häftlinge ermordete. Mehr als 16.000 Häftlinge mussten sich für einige Tage unter freiem Himmel in einem provisorischen Lager im Belower Wald bei Wittstock aufhalten. Die letzten Überlebenden wurden in den ersten Maitagen befreit.

 

Gedenkstätte und Museum Sachsenhausen
Straße der Nationen 22 | 16515 Oranienburg

 

Information: www.sachsenhausen-sbg.de

 

Verantwortlich:
Dr. Horst Seferens | Referent für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit | Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten
16515 Oranienburg | Heinrich-Grüber-Platz | T +49 3301 810920
seferens(at)stiftung-bg.de | www.stiftung-sbg.de


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