Der "Alltag" der Häftlinge des KZ Sachsenhausen 1936 bis 1945
Die 1961 aus Originalteilen wieder aufgebaute und 2001 vom Architektenbüro Braun, Voigt & Partner sanierte Baracke 39 war Teil des 1938 errichteten „Kleinen Lagers“. Dort waren zwischen 1938 und 1942 vornehmlich jüdische Häftlinge zusammen gepfercht. In den beiden Barackenflügeln und dem dazwischen liegenden, weitgehend original eingerichteten Sanitärbereich der Wohnbaracke befindet sich die 2001 eröffnete Ausstellung „Der ‚Alltag’ der Häftlinge im KZ Sachsenhausen 1936-1945“.
Um den authentischen Eindruck der Häftlingsbaracke weitgehend beizubehalten, ist die Ausstellungsgestaltung sehr zurückhaltend. Sechs Großvitrinen bestimmen den Raumeindruck. Auf durchgehenden und durchsichtigen Gazewänden, die sich in den Innenräumen vor den Fenstern entlang ziehen, werden sechs kleine, etwa dreiminütige Filme projiziert, die den Alltag der KZ-Häftlinge mit Hilfe von großformatigen Häftlingszeichnungen in seinen wesentlichen Aspekten kurz umreißen. Mit besonders ausgewählten Schlüsselexponaten werden die jeweiligen thematischen Schwerpunkte der Ausstellung vergegenständlicht
Der KZ-Alltag der Häftlinge, der trotz aller durch die SS bis in kleinste Details bestimmten Routine eher einem permanenten Ausnahmezustand entsprach, kann nur von den Häftlingen selbst geschildert werden, er ist notwendigerweise immer subjektiv. Jegliche Bilder aus der Perspektive der Täter verharmlosen oder beschönigen die alltägliche Realität von totaler Herrschaft, elenden Lebensbedingungen sowie der willkürlichen oder geplanten Terrorisierung der Häftlinge durch Misshandlungen und Mord. Die Ausstellung stützt sich aus diesem Grund ausschließlich auf die Erinnerungen von ehemaligen Häftlingen.
Zwanzig repräsentativ ausgewählte Häftlinge, die die ganze politische, soziale, religiöse, ethnische und nationale Unterschiedlichkeit und Bandbreite der ‚Häftlingsgesellschaft’ in Sachsenhausen wiederspiegeln, erzählen ihren persönlichen KZ-Alltag aus dem Blickwinkel ihrer jeweils unterschiedlichen Erfahrungen. Ausgewählte, relativ kurze Ausschnitte aus Interviews mit den Zeitzeugen oder den Angehörigen sind mittels Kopfhörer oder offenen Lautsprechern anzuhören. Die zu den insgesamt 120 Erzählungen gehörenden, in den Vitrinen präsentierten Gegenstände veranschaulichen die mündlichen Berichte der Häftlinge und lassen so manche Erzählung aus dem KZ-Alltag konkret werden.
Die vom Architektenbüro Prof. HG Merz gestaltete Ausstellung gliedert das Thema in sechs Abschnitte: „Wege nach Sachsenhausen“ berichtet über die unterschiedlichen Gründe der Verhaftung, im Abschnitt „Häftlingsgesellschaft“ wird die oftmals brutale Hierarchie innerhalb der „extremsten Klassengesellschaft“ (Primo Levi) angesprochen, „Arbeit“ thematisiert die unterschiedlichen Formen der Zwangsarbeit, die oft über Leben und Tod entschieden und bei „Raum und Zeit“ geht es um die totale Enteignung der Bewegungsfreiheit. Ein Abschnitt ist dem Thema „Gewalt, Sterben, Tod“ gewidmet. Schließlich wird im Kapitel „Leben mit der Erinnerung“ gezeigt, wie die KZ-Erfahrung das Leben der ehemaligen Häftlinge auch nach der Befreiung geprägt hat.
Befreiung geprägt hat. An beiden Eingängen der jeweiligen Barackenflügel werden zunächst die 20 exemplarisch ausgewählten Häftlinge kurz vorgestellt. An den Giebelseiten der Baracke 39 befindet sich jeweils eine Multimediastation, an der die 20 Biografien vertiefend dargestellt sind. Die Nutzung der Sanitärräume zur Misshandlung und Ermordung der Häftlinge wird mit Hilfe von Zitaten aus Prozessen gegen SS-Täter dargestellt.
Ergänzend zur Ausstellung ist die mittlerweile mit dem „Europrix. Excellence in New Media 2002“ sowie dem Preis des Verbandes der Geschichtslehrer „digita 2003“, ausgezeichnete CD-ROM „Der ‚Alltag’ der Häftlinge des KZ-Sachsenhausen 1936“ in deutscher und englischer Sprache erschienen. Sie kann zum Sonderpreis von 10,80 € im Buchladen der Gedenkstätte erworben werden.