Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten Gedenkstätte und Museum Sachsenhausen

Die Stadt und das Lager. Oranienburg und das KZ Sachsenhausen 1936-1945

Acht thematische Hör- und Sehstationen

Der Besucher wird über eine Treppe an acht Hör- und Sehstationen entlanggeführt. Sie thematisieren u. a. den „Nachbarn SS“, die Wege der Haftlinge in der Stadt, die Selbstdarstellung der SS, die Zwangsarbeit, den Tod der Haftlinge sowie den Widerstand der Bekennenden Gemeinde. Ausblicke zu Bezugspunkten in der Umgebung thematisieren die Grenzen zwischen Lager und Stadt und ihre partielle Überschreitung. Die Sanierung des Gebäudes hat der Architekt Dr. Günter Hipfel verantwortet, die Ausstellungsgestaltung wurde von Gerrit Grigoleit entworfen.

 

Interviews mit Oranienburger Zeitzeugen

Die Ausstellung stutzt sich vor allem auf Interviews mit Oranienburger Zeitzeugen. Darüber hinaus werden Fotos, Häftlingszeichnungen und Grafiken sowie mediale Animationen in kurzen Filmsequenzen präsentiert. In zwei Vitrinen sind von Häftlingen gefertigte Gegenstände zu sehen, die diese als Dank für Hilfeleistungen einzelnen Oranienburgern schenkten.

Die Ausstellung berichtet von pogromartigen Zustanden in den Straßen Oranienburgs bei der Ankunft jüdischer Haftlinge im September 1939, von der Anwesenheit der KZ-Haftlinge in der Stadt und vom Rauch der Krematorien, der zeitweise über Teilen der Stadt hing. Gezeigt werden die Oranienburger Standesbeamten, die bis Oktober 1942 fast 10.000 Todesfälle im Lager beurkundeten. Danach führte die SS ein eigenes Standesamt, um die steigende Zahl von Toten geheim zu halten.

In Oranienburg ansässige Rüstungsunternehmen wie Auer oder Heinkel gehörten ebenso zu den Profiteuren der Häftlingszwangsarbeit wie kleine und mittelständische Betriebe und die Stadt selbst, in deren Auftrag Häftlinge Rohrleitungen verlegten und Straßen bauten.

 

Trat der SS couragiert entgegen: Pfarrer Kurt Scharf

Besonders bemerkenswert sind die Erzählungen des evangelischen Pfarrers der Gemeinde Sachsenhausen und späteren Bischofs von Berlin-Brandenburg, Kurt Scharf. Unter der Gefahr, selbst in das KZ eingeliefert zu werden, trat er der SS couragiert entgegen. Sehr bald nach der Gründung des KZ Sachsenhausen bemühte er sich um die seelsorgerische Betreuung der KZ-Haftlinge, was durch den Lagerkommandanten Karl Koch brüsk abgelehnt wurde. Später gelang es Kurt Scharf, den Berliner Pfarrer Martin Niemöller im Lager zu besuchen. Dieser war als führendes Mitglied der Bekennenden Kirche und als „Hitlers persönlicher Gefangener“ am 2. Marz 1938 in den Zellenbau des KZ Sachsenhausen eingeliefert worden. Nach der Inhaftierung Niemöllers begann die Bekennende Gemeinde in Sachsenhausen, regelmäßig für die Haftlinge im Konzentrationslager zu beten und die Glocken für sie zu lauten. Im KZ gehörte das Lied „Dorfglocken“, das auf einem russischen Volkslied basiert, zu den beliebtesten Lagerliedern, dessen dritte Strophe vermutlich als Reaktion auf das Glockenlauten von einem deutschen kommunistischen Häftling hinzugedichtet wurde. Das Lied ist in der Ausstellung ebenfalls zu hören.

Die Ausstellung „Die Stadt und das Lager“ im Turm E vermeidet einfache Antworten auf die Fragen, die sie stellt. Sie zeigt jedoch an zahlreichen Beispielen, was Menschen gesehen und erfahren haben und wie sie sich konkret verhalten haben – ob sie weggeschaut, sich an Verbrechen beteiligt haben oder ob sie die Handlungsspielraume, die im NS-System bestanden, nutzten. Nicht zuletzt drängt sich dem heutigen Besucher die Frage auf: Wie hatte ich selbst damals gehandelt?

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