VORWORT
Jürgen Kocka, Vorsitzender des Fördervereins der Gedenkstätte und des Museums Sachenhausen e.V.
Die einmal jährlich stattfindenden „Sachsenhausen Lectures“ behandeln Aspekte des Verhältnisses zwischen historischem Gedenken und historischer Wissenschaft. Dies sind zwei verwandte, aber unterschiedliche Wege des Umgangs mit unserer Vergangenheit. Zum einen geht es um das öffentliche Gedenken und das private Erinnern an zentrale gemeinsame, oft schmerzliche und bisweilen erhebende Ereignisse, Umstände, auch Weichenstellungen in der Vergangenheit,die in der Gegenwart weiter wirken und auch in Zukunft präsent sein sollen; zum anderen um die wissenschaftliche Rekonstruktion, Analyse und Darstellung von Vergangenem mit Bezug auf Gegenwart und Zukunft, also um die wissenschaftliche Arbeit an Geschichte. Das Gedenken ist selektiver, in der Regel auch emotionaler, meist stärker auf symbolische Präsentation angewiesen. Die wissenschaftliche Analyse der Geschichte ist umfassender, verfährt nach den methodischen Regeln des Fachs, sie ist Teil einer kritischen wissenschaftlichen Diskussion und folgt deren Logik. Doch beide Wege sind miteinander verknüpft. In einer an Aufklärung interessierten Kultur darf historisches Gedenken den Befunden der historischen Wissenschaft zumindest nicht widersprechen, während die geschichtswissenschaftliche Arbeit ihre Antriebe und Gegenstände aus unterschiedlichen Quellen bezieht, aber auch aus der historischen Erinnerung der Historiker und Historikerinnen in ihrer Gesellschaft.
In modernen Gedenkstätten wie Sachsenhausen, die sich seit der deutschen Vereinigung – anders als die ehemaligen Mahn- und Gedenkstätten der DDR, anders auch als die in der alten Bundesrepublik überaus bescheiden ausgestatteten authentischen Orte der Erinnerung an die NS-Diktatur - vorwiegend als zeithistorische Museen mit besonderen bildungspolitischen Aufgaben verstehen, sind öffentliches Gedenken und wissenschaftliche Beschäftigung aufs Engste verbunden. Es ist eine unabdingbare Aufgabe der Gedenkstätte Sachsenhausen und anderer Gedenkstätten, die sich mit den Opfern und Tätern, den Ereignissen, Personen und Strukturen, der Schuld und den Hinterlassenschaften der deutschen Diktaturen des 20. Jahrhunderts zu beschäftigen und dabei die immer wieder neu aus der Gegenwart an die Geschichte herangetragenen Fragen auf dem aktuellen Niveau wissenschaftlicher Forschung zu reflektieren. Nur so kann es gelingen, die erinnerungskulturelle Bedeutung der historischen Orte staatlichen Terrors in die jeweils zentralen Diskurse über Gegenwart und Zukunft einzubringen und aktuell zu halten. Die vom Förderverein der Gedenkstätte getragenen „Sachsenhausen Lectures“ stehen in dieser Tradition. Sie beabsichtigen, unterschiedliche Aspekte des Verhältnisses zwischen historischer Erinnerung und wissenschaftlicher Geschichte, soweit sie von besonderem öffentlichen Interesse sind, neu zu beleuchten und öffentlich zu diskutieren. Die erste Sachsenhausen Lecture hielt 2016 der deutsch-amerikanische Historiker Konrad H. Jarausch. Er sprach über Eigenarten, Leistungen und Probleme der kritischen Erinnerungskultur in der Bundesrepublik. Der Vortrag wurde unter dem Titel „Selbstkritik als Erinnerungskultur. Grundlage moralischer Politik in Deutschland?“ als selbstständige Broschüre veröffentlicht. Exemplare sind weiterhin vom Förderverein (Heinrich-Grüber-Platz 3, 16515 Oranienburg) zu beziehen.
Die zweite Sachsenhausen Lecture hielt der renommierte französisch-deutsche Historiker Etienne François am 14. Juni 2017 in der Französischen Botschaft in Berlin zum Thema „Europa als Erinnerungsgemeinschaft“. Etienne François hat nicht nur zusammen mit Hagen Schulze das gewichtige dreibändige Werk „Deutsche Erinnerungsorte“ (Verlag C.H. Beck München 2001) publiziert, sondern auch zusammen mit Thomas Serrier und mehr als hundert Autoren aus zahlreichen Ländern ein umfangreiches und international viel beachtetes Werk über europäische Erinnerungsorte vorgelegt, das 2017 im Pariser Verlag „Les Arènes“ erschien. Das kollektive historische Gedächtnis wie das öffentliche und private Erinnern finden zu Recht vor allem im nationalhistorischen Rahmen statt, besonders wenn es, wie in der Gedenkstätte und dem Museum Sachsenhausen, primär um die Opfer und Täter, die Formen und Abläufe, die Verursachungen und Wirkungen der Verfolgungs- und Vernichtungspolitik des nationalsozialistischen
Deutschland geht. Aber unsere historische Erinnerung bezieht sich auch auf kleinere Räume, beispielsweise auf Geschehnisse in Gemeinden oder Verwandtschaftskreisen. Und sie erfolgt auch in über-nationalstaatlicher Erstreckung, etwa mit Europa als Bezugsraum. Niemand kann über Europa als Gedenk- und Erinnerungsraum mit größerer Kompetenz sprechen als Etienne François. Sein im Folgenden dokumentierter Vortrag bietet eine eindringliche Interpretation dessen, was Europa als „Erinnerungsgemeinschaft“ – und damit als Rahmen unterschiedlicher, aber miteinander verflochtener Erinnerungen auf nationaler Basis - ausmacht oder ausmachen sollte. Zugleich führt er aus, was Europa bei aller Vielfalt historisch zusammenhält und somit eine europäische Identität begründet. „Zur Zukunft der Erinnerung“ ist die „Sachsenhausener Erklärung“ überschrieben, die der Förderverein im Herbst 2018 als Beitrag zur erneut kontrovers gewordenen Gedenkpolitik in Deutschland erarbeitet und veröffentlicht hat. Die „Erklärung“ umschreibt, welchen Zielen sich der Förderverein verpflichtet fühlt. Sie wird im Anhang dieser Broschüre abgedruckt.
EUROPA ALS ERINNERUNGSGEMEINSCHAFT
Etienne François
Über Jahrhunderte hinweg war die Definition von Europa eine rein geographische. Entstanden in der Antike und immer noch aktuell, bezeichnet sie den Raum, der sich vom Atlantik bis zum Ural, und von Skandinavien bis zum Mittelmeer erstreckt. Im Laufe der letzten Jahrhunderte sind allerdings andere Definitionen vorgeschlagen worden, die in Europa nicht nur eine Vorstellung, sondern auch eine historische, politische und kulturelle Realität sehen – und sie deswegen als existentielle Gemeinschaft bezeichnen. Fragt man aber nach dem Inhalt dieser gemeinschaftlichen Definition, so wird sofort klar, dass man es nicht mit einer einzigen und eindeutigen Definition zu tun hat, sondern mit unterschiedlichen Definitionen, die nicht deckungsgleich sind und darüber hinaus im ständigen Wandel begriffen sind.
Die in den Medien wie in der öffentlichen Meinung meistverbreitete Definition entspricht heutzutage der Europäischen Union. Ihr gehören seit 2013 28 Staaten an, die eine entschieden größere Gemeinschaft als die sechs Staaten ausmachen, die im März 1957 die Römischen Verträge unterzeichneten. Diese Zahl ist aber nicht definitiv: das Vereinigte Königreich will die EU im Laufe des Jahres 2019 verlassen, während auf der anderen Seite die EU versprochen hat, die Balkanländer in den nächsten Jahren bzw. Jahrzehnten zu integrieren. Daneben gibt es aber andere Definitionen von Europa, die viel mehr Länder als die EU einschließen. Das beste Beispiel dafür ist das Europa des 1949 durch den Vertrag von London gegründeten Europarats, dem auch solche Länder wie Russland, die Türkei, Armenien oder Georgien angehören.
Diese Unterschiede hängen mit der Tatsache zusammen, dass Europa als historische und menschliche Realität viel älter ist als die Europäische Union. Die erste Erwähnung der Europäer als Gemeinschaft geht auf das 8. Jahrhundert zurück und seit dem Ende des Mittelalters hat sich Europa auf der einen Seite als ein Verbund von Ländern entwickelt, die durch eine gemeinsame Geschichte geprägt wurden, während auf der anderen Seite die „Idee Europa“ als Entwurf zum „Ewigen Frieden“ verstanden wurde, wie es die von Marie-Louise von Plessen für das Deutsche Historische Museum im Jahre 2003 konzipierte Ausstellung vorzüglich dargestellt hat.(1)
Wie hat uns, als Europäer von heute, diese gemeinsame Geschichte, die lange vor der Gründung der Europäischen Union begonnen hat und ziemlich weit in die Vergangenheit zurückgeht, geprägt? Welche Konsequenzen hat sie für unsere Wahrnehmung der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft des europäischen Kontinents? Wie haben wir sie uns angeeignet? Sind wir der Ansicht, dass wir Erben einer gemeinsamen Geschichte sind, die „unsere“ Geschichte ist? Hat diese gemeinsame Geschichte zur Folge, dass das heutige Europa als eine „Erinnerungsgemeinschaft“ betrachtet werden und man sogar von einer europäischen Identität im Singular sprechen kann?
„EUROPA, UNSERE GESCHICHTE“
Dies ist eine Frage, deren Bedeutung nicht hoch genug zu bewerten ist, denn die Geschichtswissenschaft wie die anderen Geistes- und Sozialwissenschaften sind sich darüber einig, dass die Existenz gemeinsamer kollektiver Erinnerungen eine der wichtigsten Grundlagen für den Zusammenhang von Gemeinschaften darstellt. Deswegen habe ich zusammen mit Thomas Serrier, einem jüngeren deutsch-französischen Kollegen und Freund, der über mehrere Jahre hinweg Gastdozent an der Viadrina in Frankfurt/Oder war und inzwischen eine Professur für deutsche Geschichte und Kultur an der Universität Lille inne hat, beschlossen, eine tiefergehende Untersuchung über die europäischen Erinnerungskulturen durchzuführen. Wir haben dieses Projekt am Beginn der 2010er Jahre begonnen und in einer ersten Phase intensiv darüber mit Kolleginnen
und Kollegen aus verschiedenen Ländern diskutiert, um ein durchsetzungsfähiges Konzept zu erarbeiten. In einer zweiten Phase ist daraus, mit Hilfe der resoluten und tatkräftigen Unterstützung des Verlags „Les Arènes“, eines innovativen Pariser Verlags wie auch von fünf Mitherausgebern (Valérie Rosoux, Akiyoshi Nishiyama, Pierre Monnet, Olaf B. Rader und Jakob Vogel), ein umfangreiches Buch von mehr als 1.300 Seiten entstanden, das auf Französisch im September 2017 unter dem Titel „Europa, notre histoire“ (Europa, unsere Geschichte) erschienen ist.(2) Der theoretische und methodologische Ansatz dieser Untersuchung orientiert sich an zwei Beispielen: zuerst an den sieben Bänden, die unter dem Titel „Les lieux de mémoire“ zwischen 1984 und 1992 unter der Leitung des Pariser Historikers und Publizisten Pierre Nora erschienen sind und sich systematisch mit der Geschichte und der Gegenwart der französischen Erinnerungskulturen befassen;(3) und dann an der dreibändigen Publikation, die ich fast zehn Jahre später,
zusammen mit dem leider zu früh verstorbenen Berliner Historiker Hagen Schulze über die „deutschen Erinnerungsorte“ herausgegeben habe und die in deutscher Sprache in München im Jahre 2001 veröffentlicht wurde.(4) Die in diesen beiden Publikationen auf der Basis einer breiten Auswahl untersuchten Themen setzen sich mit ganz unterschiedlichen konkreten Formen der „Gegenwart der Vergangenheit“ in der heutigen französischen bzw. deutschen Gesellschaft und Kultur auseinander. Unter „Erinnerungsorten“ verstehen sie solche „Kristallisationspunkte kollektiver Erinnerung und Identität“, die die Gegenwart beider Länder kennzeichnen; sie rekonstruieren die Entstehung dieser kollektiven Erinnerungen in der Vergangenheit, stellen ihre Entwicklung im Laufe der Zeit dar und erklären dadurch ihre heutige Bedeutung. Während Pierre Nora die „Gegenwart der Vergangenheit“ in Frankreich aus einer ausschließlich innerfranzösischen Perspektive untersuchte, legten Hagen Schulze und ich einen großen Wert auf die Berücksichtigung von solchen „geteilten“ Erinnerungsorten, die nicht nur zur deutschen Erinnerungskultur, sondern auch zu solcher von Nachbarländern gehören, wie zum Beispiel das Schloss Versailles als französischer und deutscher Erinnerungsort oder auch der Kniefall des Bundeskanzlers Willy Brandt in Warschau im Jahre 1970 als deutscher und polnischer Erinnerungsort. Für die Untersuchung der europäischen Erinnerungsorte gingen Thomas Serrier und ich nach demselben Muster vor wir wählten solche Themen aus, deren Relevanz sich auf den ganzen Kontinent erstreckt und versuchten so viel als möglich den Blick von innen mit dem Blick
von außen in Verbindung zu setzen. Zwei Empfehlungen des Historikers Marc Bloch haben uns dabei geleitet. Die erste stammt aus der Rede, die er 1928 auf dem Historikerweltkongress von Oslo formulierte: „Cessons de causer éternellement d’histoire nationale à histoire nationale, sans nous comprendre“ (Hören wir auf, immer von Nationalgeschichte zur Nationalgeschichte zu sprechen, ohne uns zu verstehen); die zweite hat er am Ende seines Lebens geschrieben und lautet: „Il n’y a pas d’histoire de France, il n’y a qu’une histoire de l’Europe.“ (Es gibt keine französische Geschichte; es gibt nur eine europäische Geschichte), eine Behauptung, die Fernand Braudel später ergänzte, indem er schrieb: „Il n’y a pas d’histoire de l’Europe, il n’y a qu’une histoire du monde.“ (Es gibt keine europäische Geschichte, es gibt nur eine Weltgeschichte).
Entsprechend diesem Ansatz haben wir eine Auswahl von fast 150 europäischen Erinnerungsorten getroffen, die wir dann in drei Teilen eingeordnet haben. Der erste Teil unseres Buchs befasst sich mit unterschiedlichen Formen der Gegenwart der Vergangenheit und untersucht dabei schmerzhafte Erinnerungen, mit welchen sich die Europäer von heute auseinandersetzen, europäische Narrative, nach denen wir uns richten, Grundlagen wie auch Gegensätze der europäischen Erinnerungskulturen. Der zweite Teil widmet sich der inneren Vielfalt von Europa am Beispiel von Helden und Verfluchten, von Landschaften und Imaginationen, von Leidenschaften und Utopien, von Grenzen und Trennungen, von Kreuzungen und Zusammenflüssen, von Begriffen und Sammlungen. Der dritte Teil setzt sich unter dem Oberbegriff „Globale Gedächtnisse“ mit Beispielen der europäischen Erinnerungskulturen auseinander, die eine globale Dimension haben und die er unter vier Perspektiven darstellt: Erobern, Aufdrücken, Exportieren und Austauschen. Damit schließlich unser Buch ein wirklich europäisches Buch im globalen Zusammenhang wurde, haben wir mit der Hilfe der fünf Mitherausgeber aus Belgien, Deutschland, Frankreich und Japan etwas mehr als hundert Autoren aus fast allen europäischen Ländern wie auch aus der restlichen Welt gewonnen, die sich bereit erklärt haben, die von uns vorgeschlagenen Themen in aller Freiheit zu behandeln.(5) Ein Viertel von ihnen sind Franzosen; ein zweites Viertel Deutsche bzw. Deutschsprachige; Autoren aus den anderen europäischen Ländern bilden das dritte Viertel, während nicht-europäische Autoren aus allen anderen Kontinenten das letzte Viertel ausmachen.
DIE FAST UNÜBERSCHAUBARE VIELFALT DER EUROPÄISCHEN ERINNERUNGSKULTUREN
Das erste Ergebnis unserer Untersuchung ist die Bestätigung einer weit verbreiteten Beobachtung, nämlich, dass es keine gemeinsame europäische Erinnerungskultur gibt, sondern vielmehr eine Fülle von unterschiedlichen und manchmal sogar gegensätzlichen und scheinbar unvereinbaren Erinnerungskulturen. Diese fast banale Beobachtung läßt sich durch zahlreiche Beispiele illustrieren. Wenn wir uns auf die kollektiven Erinnerungen beschränken, die mit unmittelbaren, d. h. entweder persönlichen oder familiären Erfahrungen und Wahrnehmungen verbunden sind, so gilt das genauso für die schmerzlichen und tragischen Erinnerungen, die das kollektive Gedächtnis am tiefsten prägen, wie z.B. die Erinnerungen an Faschismus und Nationalsozialismus, an Zweiten Weltkrieg und Holocaust, an Kommunismus, Stalinismus und Gulag, an die Niederwerfung des ungarischen Aufstands von 1956 und des Prager Frühlings von 1968, an die kolonialen Kriege oder den Jugoslawienkrieg – wie auch für die eher positiven und erfreulichen
Erinnerungen, wie z.B. die spektakuläre Steigerung des Wohlstands in so gut wie allen europäischen Ländern nach 1945, die fast allgemeine Verbannung des Kriegs im Verhältnis der europäischen Länder zueinander, die damit verbundene Versöhnung zwischen vielen ehemals verfeindeten Ländern, die 1968er Bewegung und schließlich den Zusammenbruch des Kommunismus und des Ostblocks, die deutsche Wiedervereinigung und die Erweiterung der Europäischen Union.
Diese Beobachtung hängt mit der bis heute zentralen Bedeutung der Nationen und Nationalstaaten in der europäischen Geschichte und Kultur zusammen. Sicher haben heute viele Menschen aus nachvollziehbaren Gründen, vor allem in Deutschland, ein kritisches und negatives Verständnis der Nation und noch mehr des Nationalstaates. Aber abgesehen davon, dass Deutschland seit 1990 wieder zu einem „normalen Nationalstaat in einem postnationalen Kontext“ geworden ist, gilt bis heute die durch zahlreiche historische, soziologische und politologische Untersuchungen bestätigte Tatsache, dass überall in Europa die Nationen die primären Erinnerungsgemeinschaften bilden.(6) Sie stellen den Rahmen dar, in welchem über die „Gegenwart der Vergangenheit“ diskutiert und Stellung zur Geschichte bezogen wird, nicht zuletzt weil sich
diese Debatten in den meisten Ländern mit den „alten Wunden“ und den „totgeschwiegenen“ bzw. „verschütteten“ Aspekten der jeweiligen Nationalgeschichte auseinandersetzen. Der Primat des nationalen Bezugsrahmens erklärt sich darüber hinaus dadurch, dass in allen Ländern die Debatten über die Vergangenheit und die Einstellung zu ihr immer gleichzeitig Debatten über die politische Kultur, die politischen Werte und die politische Zukunft der eigenen Nation sind. In jedem Land drückt sich die Gegenwart der Vergangenheit anders aus – auch in dem Fall, wo es sich um eine gemeinsame Vergangenheit handelt, denn sie wurde anders erfahren, anders rezipiert und schließlich anders erinnert. Die genuin nationale Dimension der kollektiven Erinnerungskulturen hängt im Übrigen auch damit zusammen, dass in allen europäischen Ländern die Geschichte als Forschung mit wissenschaftlichem Anspruch im 19. bzw. am Beginn des 20. Jahrhunderts im nationalen Rahmen entstanden ist, dass bis heute der Geschichtsunterricht
(von der Grundschule bis zur Universität) überall in Europa in einem nationalen bzw. regionalen Kontext stattfindet, dass die überwiegende Mehrheit der Fachhistoriker Staatsbeamte sind und dass alle europäischen Länder großen Wert auf ihre eigene Gedächtnispolitik legen. Darüber ist in den letzten Jahren viel im Zusammenhang mit der Gedächtnispolitik der ostmitteleuropäischen Länder debattiert worden, ob es sich um das „Haus des Terrors“ in Budapest handelt oder um die Gedächtnisgesetze, die vor kurzem in Polen verabschiedet wurden. Aber abgesehen davon, dass die Grundthesen der polnischen Gesetze der historischen Realität entsprechen (der polnische Staat hat während des Zweiten Weltkriegs keine Rolle beim Holocaust gespielt, denn nach der polnischen Niederlage 1939 gab es in Polen keinen polnischen Staat mehr, und auch wenn es zutrifft, dass viele Polen, als Einzelpersonen oder als Gruppen, sich an der Verfolgung der Juden beteiligt haben, so kann man daraus nicht den Schluss ziehen, dass die gesamte polnische Gesellschaft mitverantwortlich für den Holocaust gewesen wäre), gilt die normative Gedächtnis- bzw. Geschichtspolitik genauso für die anderen Ländern, auch im westlichen Teil Europas - so z.B. das gesetzliche Verbot der Leugnung bzw. der Relativierung des Holocausts in Deutschland wie in den meisten anderen europäischen Ländern.
Die zentrale Rolle der Nationen beschränkt sich allerdings nicht auf das Gebiet der Erinnerungskulturen. Sie zeigt sich vielmehr auch in der realen Dynamik der europäischen Geschichte seit dem Mittelalter. Es sei nur in dieser Hinsicht auf den Gegensatz hingewiesen zwischen den Bestrebungen nach einer einheitlichen politischen Struktur Europas auf der einen Seite (das Karolinger Reich, das Heilige Römische Reich, das Streben der spanischen Monarchie und der Habsburger nach einer europäischen und Welthegemonie im 16. und 17. Jahrhundert, das französische Streben nach einer anderen Form der europäischen Hegemonie unter der Herrschaft von Ludwig XIV und ein Jahrhundert später unter der von Napoleon, die europäische Ausdehnung der deutschen und nationalsozialistischen Herrschaft während des Zweiten Weltkriegs und schließlich – unter einem allerdings ganz anderen Vorzeichen – die Erweiterung der Europäischen Union) und auf der anderen Seite dem Scheitern von so gut wie all diesen Bestrebungen in Folge des Widerstands der Staaten, Länder und Völker, die ihre Unabhängigkeit bzw. Souveränität mit allen möglichen Mitteln verteidigen wollten – von der Opposition der französischen Monarchie gegenüber dem Heiligen Römischen Reich (seit dem Mittelalter galt in Frankreich der Spruch, der französische König sei „Kaiser in seinem Königreich“) und später den hegemonialen Bestrebungen der Spanier und Habsburger, bis hin zum Brexit. Diese von Hagen Schulze in seinem Buch „Staat und Nation in der europäischen Geschichte“ thematisierte Dialektik zwischen Reich und Nation bzw. zwischen Europa (im politischen Sinne) und Nationen stellt einen roten Faden der europäischen Geschichte dar.(7) „Dass es Nationen gab, ist das Europäische an der europäischen Geschichte“ notierte zu Recht der Mediävist und erste Direktor des Göttinger Max-Planck Instituts für Geschichte Hermann Heimpel. Ohne Europa gäbe es keine Nationen, aber ohne Nationen gäbe es kein Europa – und deswegen sollte man sich als Historiker und Sozialwissenschaftler davor hüten, den Nationalstaat gegen Europa auszuspielen. Diese Beobachtung soll allerdings nicht so interpretiert werden, dass man von einheitlichen nationalen „Geschichtsbildern“ sprechen könnte: weit entfernt davon, homogene Erinnerungsgemeinschaften zu bilden, stellen vielmehr die europäischen Nationen Diskursgemeinschaften dar, in denen unterschiedliche, ja manchmal gegensätzliche Geschichtsbilder, die alle den Anspruch erheben, die richtige Deutung der Vergangenheit zu haben, mit- und gegeneinander im Wettstreit stehen.
Die Bedeutung der Nationen bzw. der Nationalstaaten im heutigen Europa wie auch in der EU sollte in der Tat in keinem Fall unterschätzt werden. Sie sind nämlich der Rahmen, in dem sich Demokratie – im Unterschied zur immer noch überwiegend technokratischen EU – abspielt. Nur dort ist es den Bürgern und Bürgerinnen möglich, eine Regierung und die parlamentarische Mehrheit, auf welche sie sich stützt, unmittelbar zu befürworten, solange sie mit ihnen einverstanden sind, bzw. im gegenteiligen Fall durch eine andere Mehrheit zu ersetzen. Wie der britische Historiker Alan Milward nachgewiesen hat, hatte die ursprüngliche Europäische Gemeinschaft zum Ziel, die Nationalstaaten im Nachkriegseuropa zu retten und auch heute ist die EU vor allem ein Staatenverbund, in dem alle wichtigen Entscheidungen von den Regierungen der Nationalstaaten gemeinsam getroffen werden.(8)
Die strukturelle und vorwiegend national geprägte Vielfalt der europäischen Erinnerungskulturen ist de facto so entscheidend, dass sie auch in den zentralen Elementen der europäischen Geschichte und Kultur in Erscheinung tritt, wie man es an den drei folgenden Beispielen sehen kann. Als erstes Beispiel sei auf das Christentum hingewiesen. Seit dem 1. Jahrhundert unserer Ära in vielen Regionen präsent, die später zum in Entstehung begriffenen Europa gehören würden, hat das Christentum Europas Geschichte und Kultur viel tiefer und auch viel länger als alle anderen Kontinente geprägt, mit der Folge, dass viele nicht-europäische Völker die Europäer einfach als Christen bezeichneten. Aber abgesehen davon, dass das Christentum auch in den Zeiten, wo es am stärksten war, nie die einzige Religion der Europäer war (seit Beginn der europäischen Geschichte stand es in Konkurrenz mit dem Judentum und dem Islam, von den anderen „paganen“ Religionen nicht zu sprechen), sollte nicht vergessen werden, dass es nie einheitlich war.(9) Vom Beginn seiner Geschichte an war das Christentum eine in sich vielfältige Religion und diese innere Unterschiedlichkeit, die nicht selten bis zum totalen und blutigen Gegensatz gesteigert wurde, zeigte sich während der ganzen europäischen Geschichte. Man denke nur an den Unterschied zwischen dem lateinischen und dem griechischen Christentum (einen Unterschied, der zwischen dem 11. und 13. Jahrhundert zum Bruch
zwischen den beiden Christenheiten führte), an die zahlreichen Schismen und Häresien, die sich bis heute entwickelt haben, oder auch an den Zusammenbruch der lateinischen Christenheit im Zusammenhang mit der Reformation, der auch bis heute trotz der ökumenischen Bewegung nicht überwunden wurde.(10)
Das zweite Beispiel betrifft die Aufklärung, die wie das Christentum ganz Europa betraf und bis heute als ein zentrales Element der europäischen Identität und Kultur betrachtet wird. Die gemeinsamen Elemente der Aufklärung – die Priorität der Vernunft, die Kritik der Tradition wie auch die positive Sicht des Menschen und der Menschheit - sind so gut bekannt, dass sie nicht weiter erläutert zu werden brauchen. Wenn man aber beginnt, sich mit der konkreten Geschichte der Aufklärung und ihrer Erinnerung zu befassen, dann fallen sofort viele Unterschiede auf: zuerst in der Bezeichnung (Enlightenment, Lumières, Illuminismo, Oswieciene, Haskalah usw.), dann im Inhalt (während die französischen „Lumières“ mehrheitlich antiklerikal und antikatholisch waren, war die deutsche Aufklärung mehrheitlich prochristlich und evangelisch geprägt), schließlich in der Rezeption: Nirgendwo nämlich wurde die Aufklärung von allen akzeptiert und sie hat die europäischen Länder auf unterschiedliche Art und Weise beeinflusst und gespalten.(11)
Als drittes Beispiel möchte ich den Kapitalismus erwähnen. Auch wenn seine Herkunft umstritten ist – für die einen ist er eine europäische Erfindung, während andere der Meinung sind, er sei zuerst in China entstanden -, so bleibt es unumstritten, dass er eine entscheidende Rolle in der europäischen Entwicklung und Geschichte gespielt hat, und dass er auch deswegen ein zentrales Element der europäischen Kultur und Identität darstellt. Genauso unumstritten ist aber auch die Tatsache, dass sein Platz in den europäischen kollektiven Erinnerungen alles andere als einheitlich ist, nicht zuletzt, weil er sich in seiner modernen Form, d.h. im Zusammenhang mit der industriellen Revolution, zuerst in Großbritannien im 18. Jahrhundert behauptet hat und sich danach während des 19. Jahrhunderts und am Beginn des 20. Jahrhunderts erst allmählich, auf ganz unterschiedliche Art und Weise und oft auch in Verbindung mit Konflikten, in den anderen europäischen Ländern verbreitet hat.(12)
Drei allgemeine Konsequenzen hängen damit zusammen. Zuerst die Tatsache, dass die Konflikte und Kriege eine zentrale Rolle in der europäischen Geschichte bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts gespielt haben und daher auch einen zentralen Platz in den jeweiligen kollektiven Erinnerungen einnehmen. Dann die Tatsache, dass im Vergleich zu den anderen Kontinenten Europa der Kontinent ist, der die größte Anzahl an Grenzen zählt: Vom Atlantik bis zum Ural ist unser Kontinent durch etwa 90 Staatsgrenzen geteilt, die insgesamt mehr als 37.000 Kilometer zählen.(13) Schließlich die Tatsache, dass Europa durch zwei tiefgreifende und bis jetzt als unüberwindbar betrachtete Spaltungen getrennt ist: auf der einen Seite der aus der Scheidung zwischen der lateinischen und griechischen Christenheit im Mittelalter entstandene Gegensatz zwischen Ost- und Westeuropa, und auf der anderen Seite der Gegensatz zwischen den (westlichen) Ländern, für die der Holocaust und der Völkermord an den Juden das negative Fundament der kollektiven Erinnerungen und Identitäten darstellen, und den (östlichen) Ländern, für die dieses negative Fundament durch den Kommunismus und den Gulag gebildet ist.(14) Wie der polnisch-französische Historiker Krzysztof Pomian es einmal zu Recht schrieb: „Die Geschichte Europas ist die seiner Grenzen“.(15)
DIE VERFLECHTUNG DER SICH GEGENSEITIG BESTIMMENDEN KOLLEKTIVEN ERINNERUNGEN IN EUROPA
Die Vielfalt der überwiegend national geprägten Erinnerungskulturen bedeutet allerdings auf keinen Fall, dass sie voneinander total getrennt sind. Das Spezifische dieser europäischen Erinnerungskulturen liegt im Gegenteil vielmehr darin, dass sie so gut wie alle strukturell miteinander verbunden und verflochten sind.
Dass alle europäischen Länder sich auf das Erbe der Antike (die Ilias und die Odyssee, die griechische Philosophie und Wissenschaft, die Demokratie und die griechische Sprache, das römische Recht, das römische Imperium, die römische Staatsbürgerschaft und die lateinische Sprache) beziehen, wie auch auf die drei monotheistischen Religionen, die außerhalb von Europa und vor dem Beginn der eigentlichen europäischen Geschichte entstanden sind, liefert eine erste Erklärung für diese Verflechtungen. Dies tritt besonders deutlich am Beispiel von Rom als Hauptstadt des römischen Imperiums, als Zentrum der lateinischen Christenheit und später der katholischen Welt, wie auch als Zentrum der Renaissance und des Barocks hervor. Der konkrete Platz von Rom im kulturellen Gedächtnis der europäischen Länder ist auf der einen Seite nirgendwo identisch (was man zum Beispiel am Unterschied zwischen den Ländern und Regionen mit romanischen Sprachen und den Ländern und Regionen, die anderen Sprachfamilien angehören, sehen kann). Auf der anderen Seite fällt auf, dass alle europäischen Länder sich auf Rom und sein Erbe beziehen, entweder in ihrer Rechtskultur oder in ihrer Architektur und Urbanistik; darüber hinaus ist Rom die europäische Stadt, die die größte Anzahl an ausländischen Forschungs- und Kulturinstituten beherbergt, die sich alle nicht nur für Rom selber interessieren, sondern auch für all das, was Rom zum besseren Verständnis ihrer jeweiligen Geschichte und Kultur beitragen kann.(16)
Diese strukturelle Verflechtung lässt sich auch an den drei Beispielen beobachten, die vorher angesprochen wurden. Dies gilt zuerst für die drei monotheistischen Religionen, die in Europa vertreten sind: das Christentum lässt sich ohne das Judentum, von welchem es herkam und mit welchem es sich danach ständig auseinandergesetzt hat, nicht verstehen. Das Gleiche gilt auf umgekehrter Weise für das Judentum wie auch für den Islam, der sich grundsätzlich auf Judentum und Christentum bezieht und sich gleichzeitig von ihnen abgrenzt.(17) Vergleichbares lässt sich im Falle der Aufklärung beobachten: alle Philosophen und Schriftsteller der europäischen Aufklärung haben sich aufeinander bezogen, entweder in Übereinstimmung und Weiterführung, oder in Distanzierung bzw. Abgrenzung; die meisten Autoren dieser Zeit wurden sehr schnell in andere Sprachen übersetzt. Die zahlreichen Zeitschriften, die in diesem Zusammenhang überall in Europa entstanden, berichteten nicht nur über Autoren ihres Sprachraums, sondern auch über andere europäische Autoren. Viele Aufklärer waren mehrsprachig, wie zum Beispiel Leibniz, der je nach Thema auf Latein, Französisch oder Deutsch schrieb, während andere in unterschiedlichen Ländern tätig wurden, wie zum Beispiel Voltaire, der mehrere Jahre in England verbrachte und auch den Hof des preußischen Königs besuchte, oder Diderot, der in Frankreich und Russland wirkte.(18)
Unter den zahlreichen Lese- und Diskussionsgesellschaften, die sich im Laufe des 18. Jahrhunderts vervielfältigten, spielten schließlich die aus Großbritannien herkommenden Freimaurerlogen eine entscheidende Rolle. Von Anfang an war gleichermaßen der Kapitalismus ein transnationaler und europäischer Prozess, der sich allmählich auf den ganzen Kontinent erstreckte und ihn prägte und verwandelte.
Die ständigen Konflikte und Kriege, die die europäische Geschichte bis heute kennzeichnen, haben im Übrigen dabei eine zentrale Rolle gespielt. Das Judentum in Europa lässt sich nur im Zusammenhang mit dem Christentum und dem Islam verstehen, die sich mit ihm auseinandersetzten und es oft verfolgten – von der Vertreibung der Juden aus England oder Frankreich im Mittelalter bis zu den Judenverfolgungen der Moderne -, von welchen es sich abgrenzte und durch welche es sich allerdings auch beeinflussen ließ (insbesondere in Folge der Gleichberechtigung, die den Juden allmählich seit der Französischen Revolution eingeräumt wurde). Das Christentum ist vom Beginn an eine vielfältige Religion, deren Entwicklung durch die zahlreichen Auseinandersetzungen und Konflikte, Verfolgungen und Kriege geprägt ist, die sich im
Laufe der Zeit zwischen Orthodoxie und Häresie, lateinischem und griechischem Christentum, Katholizismus und Protestantismen, Glauben und Atheismus entwickelt haben. Die oft kriegerische Auseinandersetzung zwischen dem Islam und dem Christentum vom 8. Jahrhundert bis zum 20. Jahrhundert (und auch auf andere Art und Weise bis heute) ist schließlich konstitutiv für die europäische Identität und ihre Entwicklung. Diese wäre ohne den Islam und die wiederholten Konflikte und Kriege gegen ihn anders verlaufen, bei denen die Europäer nicht immer siegreich waren. Erwähnt seien die im westlichen Teil von Europa und speziell auf der iberischen Halbinsel bis zum Ende des 15. Jahrhunderts durchgeführte Reconquista, im östlichen Teil Europas der Sieg des Osmanischen Reichs über Byzanz, die Eroberung von Konstantinopel
im Jahre 1453 bis hin zur zweifachen Belagerung von Wien 1529 und 1683, und erst danach die allmähliche Zurückdrängung der Osmanen im südöstlichen Europa bis 1918/1923.
Die Geschichte der europäischen Aufklärung und ihrer Weiterentwicklung und Rezeption bis heute hängt ihrerseits mit den vielen Formen ihrer Kritik und Ablehnung zusammen, die sich von Beginn an – zum Beispiel von Seiten der Jesuiten im 18. Jahrhundert (bis zur Auflösung des Ordens durch den Papst im Jahre 1773) bis hin zu den Kritiken von Theodor W. Adorno und Max Horkheimer bzw. von Michel Foucault entwickelt haben. Der Kapitalismus ist schließlich von den zahlreichen antikapitalistischen Bewegungen nicht zu trennen, die sich vom Mittelalter bis heute unter ganz unterschiedlichen Kontexten und Vorzeichen entfaltet haben, ob es sich um die spätmittelalterlichen Aufstände in norditalienischen Städten, wie zum Beispiel in Florenz im Jahre 1498 unter der Leitung von Girolamo Savonarola handelt, oder noch um die Arbeiterbewegungen des 19. Jahrhunderts und den Marxismus-Leninismus ein Jahrhundert später.
Darüber hinaus sei noch auf weitere Aspekte der europäischen Geschichte hingewiesen, die alle auf ihre Art und Weise zur Verflechtung der unterschiedlichen Gedächtniskulturen beigetragen und oft dafür gesorgt haben, dass man auch von einer europäischen Kultur und Identität im Singular sprechen kann. Der erste Punkt hängt mit der Tatsache zusammen, dass vom Beginn an die Migrationsströmungen eine entscheidende Rolle in der Entwicklung unseres Kontinents gespielt haben, ob es sich um innereuropäische Bewegungen handelt (von den Völkerwanderungen der Spätantike und des frühen Mittelalters, die in einigen Ländern als „Invasionen“ bezeichnet werden, bis hin zu den massiven und meistens erzwungenen Migrationen im Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg), um die europäischen Auswanderungen nach Übersee (Kanada und USA, Chile und Argentinien, Australien und Neuseeland usw.) wie auch um die in den letzten Jahrzehnten stärker gewordenen Migrationsbewegungen von außereuropäischen Ländern nach Europa.(19)
Die auch von Beginn an festzustellende Zusammengehörigkeit der literarischen, kulturellen und kunsthistorischen Entwicklungen ist ein weiterer Aspekt der europäischen Identität. Zwei Beispiele – unter zahlreichen anderen – helfen dies zu verdeutlichen. Das erste liegt im Bereich der Musik. Wenn man die Karten, die die Tätigkeitsorte und Reisen von J. S. Bach (1685-1750) und W. A. Mozart (1756-1791) verzeichnen, miteinander vergleicht, so fällt zuerst auf, dass sie so gut wie total voneinander unterschieden sind und nur einen gemeinsamen Ort haben, nämlich Potsdam. Vergleicht man aber die Kompositionen dieser zwei Musiker miteinander, so stellen sich viele Gemeinsamkeiten und Verwandtschaften heraus – und zwar nicht nur weil W. A. Mozart sich mit Musikstücken von J. S. Bach auseinandergesetzt hat, sondern vielmehr auch weil beide sich auf Musiker aus ganz Europa (Italien, Frankreich, Spanien, Polen, England und Schottland) bezogen haben, sodass ihre Kompositionen sich nur in einem europäischen Zusammenhang
verstehen und interpretieren lassen.
Ähnliches lässt sich im Bereich der Literatur beobachten. So schreibt der tschechischfranzösische Schriftsteller Milan Kundera in seinem Essai „Le rideau“ (Der Vorhang) in Bezug auf die Gattung des Romans, dass das „19. Jahrhundert in jenen Jahrzehnten explosiver Ereignisse geboren wurde (d.h. im Zeitalter der Französischen Revolution und der napoleonischen Kriege), die ganz Europa mehrfach und von Grund auf verwandelten. Im Leben der Menschen änderte sich damals auf Dauer etwas Wesentliches: die Geschichte wurde zur Erfahrung jedes einzelnen (…). Ein neues Sternbild ist am Himmel über der Straße des Romans aufgeleuchtet, der in sein großes Jahrhundert eingetreten ist, das Jahrhundert seiner Popularität, seiner Macht; eine ‚Vorstellung davon, was der Roman ist‘ hat sich damals eingebürgert und wird bis Flaubert,
Tolstoi, Proust über die Kunst des Romans herrschen“.(20) Zwischen 1815 und 1945 erschienen in Großbritannien, Frankreich, Deutschland und Österreich, Polen und Russland nicht weniger als 1.700 historische Romane, die sich mit den Kriegen der Französischen Revolution und der napoleonischen Zeit befassten. Die größten Schriftsteller wetteiferten dabei miteinander – von Jane Austen, Walter Scott, Frederik Marryat und Arthur Conan Doyle über Balzac und Stendhal, Victor Hugo und Anatole France, Fontane und Thomas Mann bis hin zu Mickiewicz und Tolstoi. Der Beitrag dieser gewaltigen Romanproduktion zur Weiterentwicklung einer europäischen Gedächtniskultur wurde umso größer, als viele dieser Romane anschließend in weitere europäische Sprachen übersetzt wurden, und zwar nicht nur von West nach Ost, sondern auch von Ost nach West: Pan Tadeusz wurde im 19. Jahrhundert in fünf und Krieg und Frieden bis 1910 sogar in 15 verschiedene Sprachen übersetzt.(21)
Dies alles wäre allerdings nicht möglich gewesen, wenn Europa (und spezieller das lateinische Europa) nicht über eine Fülle von transnationalen Gemeinsamkeiten und Institutionen verfügt hätte, die sich im Laufe der Jahrhunderte eher vermehrt als reduziert haben. Dies gilt genauso für die Mobilitätsstrukturen (Römerstraßen, Pilgerwege, Chausseen, Eisenbahnen) wie auch für einige als Ergänzung der nationalen Sprachen grenzüberschreitend benutzte Sprachen (Latein, Französisch, Englisch), für solche kulturelle Institutionen wie die Abteien und Klöster, die Universitäten, die Archive und die Museen, wie auch für das europäische Recht und später für die Bürger- und Menschenrechte, für die Wissenschaft und die Technik wie auch für den Sozialstaat.(22) Die Rolle dieser Gemeinsamkeiten und Institutionen war im Übrigen umso wichtiger, als
es in den europäischen Gesellschaften von Beginn an zahlreiche sozio-kulturelle und berufliche Gruppen gab und gibt, die transnational sind und de facto die Länder miteinander in Verbindung bringen – so zum Beispiel die Adligen (angefangen mit den herrschaftlichen Dynastien, die alle miteinander verwandt waren), die Geistlichen, die Kauf- und Handelsleute, die Künstler, Literaten und Wissenschaftler, die Soldaten (insbesondere Söldner), die Migranten und die Exilanten, und nicht zuletzt die Juden, die man bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts als eine transnationale Nation ohne Territorium verstehen kann.(23) In unserem Buch haben wir das mit Hilfe von Beiträgen über die europäischen Dimensionen von unterschiedlichen Städten – von Venedig bis Vilnius, von Amsterdam bis St-Peterburg, von Berlin bis Prag – verdeutlicht.(24)
Auf einen letzten Aspekt sollte schließlich hingewiesen werden, nämlich auf die Tatsache, dass die zahlreichen Verflechtungen der europäischen Erinnerungskulturen untereinander nicht nur für den europäischen Kontinent gelten, sondern dass sie sich teilweise auf die ganze Welt erstrecken. Schon im Mittelalter und vor allem seit den großen Entdeckungen des 15. und 16. Jahrhunderts, die zu einer ersten Form der Globalisierung führten, ist die europäische Geschichte gleichzeitig eine globale Geschichte, so dass die Mehrheit der europäischen kollektiven Erinnerungen auch eine globale Dimension besitzt, die man nie genug hervorheben kann. Direkt oder indirekt haben in der Tat solche transnationale und globale Entwicklungen wie die allmähliche Eroberung der Welt durch europäische Länder, der transkontinentale Sklavenhandel, die Kolonialisierung und der Imperialismus eine so entscheidende Rolle gespielt, dass sich das heutige Europa nur im Zusammenhang mit ihnen verstehen lässt, wie man es zum Beispiel an den leidenschaftlich
geführten Debatten über die Tatsache sieht, dass sich 90 % der afrikanischen Kunstwerke in Europa befinden – und dass Europa daher den Mut haben sollte, die Mehrheit dieser Kunstwerke zu restituieren.(25)
EINE FÜLLE VON SPEZIFISCH EUROPÄISCHEN MERKMALEN
Bei aller Spezifik der jeweiligen nationalen Erinnerungskulturen, lässt sich daher eine Fülle von transnationalen Merkmalen, Einstellungen und Entwicklungen beobachten, die sich auf ganz Europa erstrecken und dadurch einen europäischen Charakter aufweisen. Für die jüngste Geschichte Europas verdienen drei Aspekte besondere Aufmerksamkeit. Als Erstes fällt die überall zu beobachtende Aufwertung des Gedächtnisses auf, eine Entwicklung, die dazu führt, dass das Gedächtnis dabei ist, den Platz einzunehmen, der bis in die Nachkriegszeit hinein der Geschichte zukam. Diese Aufwertung des Gedächtnisses ist nicht zu trennen von der allgemeinen Durchsetzung, ja der Universalisierung des „Holocaust-Paradigmas“ als Grundmusters der Deutung und Bewertung der (nahen) Vergangenheit, insbesondere mit ihrer Hervorhebung der Figur des Opfers, das in unseren „postheroischen“ Gesellschaften oft an die Stelle des Helden tritt. Diese Entwicklung hängt nicht zuletzt mit der zunehmenden Bedeutung zusammen, die den rechtlichen Kategorien und juristischen Verfahren in der Bewertung der Vergangenheit zukommt.
Ein weiterer gemeinsamer Aspekt liegt in dem intensiven Rückgriff auf die Geschichte in den politischen Debatten, und zwar nicht nur von konservativer Seite, sondern auch von „links“. Die Geschichte, auf welche dabei Bezug genommen wird, konzentriert sich allerdings auf das „kurze und tragische 20. Jahrhundert“ als „Jahrhundert der Extreme“ (Eric Hobsbawm). In allen Ländern fällt darüber hinaus die Vielfalt der geschichtspolitischen Akteure und Protagonisten auf, wie Zeitzeugen, Nachkommen von Opfern, „Gedächtnis-Unternehmer“, Richter, Publizisten und Politiker – wobei die Berufshistoriker nur kontextabhängige Akteure unter anderen sind. Überall fällt schließlich die Unfähigkeit der Staaten und der staatlichen Stellen auf, verbindliche Geschichtsdeutungen durchzusetzen. Viel wichtiger als der Staat sind die verschiedenen
Gruppierungen der bürgerlichen Gesellschaft, die miteinander um die richtige Deutung der Vergangenheit ringen.
Auch wenn sie zuerst in einem nationalen Rahmen geführt werden, so sind doch all diese Debatten in einen übergeordneten, transnationalen und europäischen Zusammenhang einzuordnen. Dieser Aspekt hat im Übrigen seit 1989/1990 deutlich an Bedeutung gewonnen, wie man es am zunehmenden Interesse der europäischen und internationalen Öffentlichkeit für die Frage der Einstellung zur Vergangenheit und des kollektiven Gedächtnisses feststellen kann.
Auffällig ist weiterhin die Häufung spezifisch europäischer geschichtspolitischer Initiativen nach 1989/1990, wie man es am Beispiel der Gedenkveranstaltungen zur Erinnerung an Zweiten Weltkrieg und Holocaust oder auch an Kommunismus und Stalinismus sehen kann. Überall lässt sich auch feststellen, dass die Debatten über die eigene Geschichte immer auch Debatten über die Geschichte der Nachbarn und des Verhältnisses zu ihnen sind.(26) Sicher gibt es dabei sehr viele Konflikte. Daneben aber gibt es auch vielfältige Prozesse der Annäherung, der Aussöhnung und des gemeinsamen Handelns. Der oft gefeierte Wandel in der Beziehung zwischen Frankreich und der Bundesrepublik Deutschland nach 1945 kann in dieser Hinsicht als Musterbeispiel einer Entwicklung gesehen werden, deren Tragweite weit über das deutsch-französische Verhältnis hinausweist, wie man es im östlichen Teil Europas am außergewöhnlichen Brief der polnischen Bischöfe an die deutschen Bischöfe im Jahre 1962 („Wir verzeihen und bitten um Verzeihung“) und acht Jahre später am Kniefall von Willy Brandt in Warschau vor dem Denkmal für die jüdischen Aufständischen von 1943 sehen kann27. Überall in Europa lässt sich, nicht zuletzt dank des innereuropäischen Friedens, der Annäherung der europäischen Gesellschaften untereinander, der Beschleunigung der innereuropäischen Mobilität und der immer größer werdenden Bedeutung der Medien, eine Bekräftigung und Konsolidierung der innereuropäischen Verflechtungen beobachten.(28)
Nichtsdestoweniger bleiben zwei Gedächtniskonflikte bestehen, die die europäische Öffentlichkeit in ihrer Einstellung zur Vergangenheit trennen, worüber heftig und leidenschaftlich debattiert wird, und die bis jetzt überhaupt nicht gelöst sind. Der erste Konflikt betrifft das Verhältnis und die Wechselwirkung zwischen Europa und den Nationen bzw. Nationalstaaten. Während auf der einen Seite viele Europäer eine kritische Haltung gegenüber dem Nationalstaat haben, den sie für überwunden und gefährlich halten (nicht zuletzt, weil er den Nationalismus fördert und nicht in der Lage ist, die Herausforderungen der Gegenwart und der Zukunft zu meistern) und sich dafür aussprechen, dass die EU und Europa die Überhand gewinnen, sind auf der anderen Seite viele Europäer fest davon überzeugt, dass Nation und Nationalstaat wichtiger sind, dass es legitim ist, einen nationalen Patriotismus zu pflegen und dass die nationale Kultur (auch in ihrer Gedächtnisdimension) die beste Basis der kollektiven Identität darstellt. Es sei betont, dass diese Haltung nicht nur in den ehemaligen osteuropäischen Ländern zu beobachten ist, sondern auch in allen anderen Ländern – angefangen mit Großbritannien, dessen Einstellung zum Zweiten Weltkrieg, zum Holocaust und überhaupt zur Europäischen Union anders als auf dem Kontinent ist.(29)
Der zweite Konflikt betrifft die Haltung gegenüber dem Zweiten Weltkrieg. Es besteht ein Gegensatz zwischen den mehrheitlich im ehemaligen Osteuropa lebenden Personen, die besonders unter dem Krieg und der Grausamkeit von Nazi-Deutschland wie auch danach unter dem Stalinismus und der sowjetischen Domination gelitten haben und für welche der 23. August 1939 (mit dem Molotow-Ribbentrop-Pakt, der es der Sowjetunion ermöglichte, die westliche Grenze von Russland vor 1917 wiederzugewinnen), die Konferenz von Yalta und der Gulag die wichtigsten Elemente der kollektiven Erinnerung bilden, und der Mehrheit des Westeuropäer, die abgesehen von Deutschland weniger unter dem Krieg gelitten haben, für welche der Holocaust im Zentrum der kollektiven Erinnerungen steht (bzw. stehen soll) und die daher im 27. Januar 1945 als Tag der Befreiung von Auschwitz einen wesentlichen Gedenktag sehen.(30) Auch wenn der Zweite Weltkrieg in diesem Konflikt eine zentrale Rolle spielt, so ist seine Wahrnehmung und Erinnerung im westlichen und östlichen Teil Europas strukturell unterschiedlich – von der in vielen westlichen Ländern unvollständigen und vor allem im heutigen Russland verdrängten Aufarbeitung der kommunistischen Vergangenheit nicht zu sprechen.(31)
SCHLUSSBETRACHTUNG
Die oft gehörte Vorstellung, es gäbe so etwas wie eine gemeinsame europäische Gedächtniskultur, ist, so eine Schlussfolgerung unserer Untersuchung, nichts anderes als eine Illusion. Die europäischen Gedächtniskulturen sind vielmehr durch ihre innere Vielfalt gekennzeichnet. Und zwar umso mehr, als sie selbst im ständigen Wandel begriffen und auf keinen Fall einheitlich sind. Der vor kurzem gestorbene bulgarisch-französische Wissenschaftler und Schriftsteller Tzvetan Todorov (1939-2017) hat diese Realität in einem ganz überzeugenden Satz zusammengefasst: „Die Europäer von morgen werden nicht die sein, die das selbe Gedächtnis teilen, sondern vielmehr die, die anerkennen werden, dass das Gedächtnis des Nachbarn genauso legitim ist wir ihr eigenes“.(32) Dabei schließt er sich im Übrigen der Ansicht des Philosophen Paul Ricoeur an, der einmal gesagt hat, die Erinnerungsarbeit sei in Wirklichkeit eine Arbeit der Erinnerungen.
Die Herausforderung, die sich daraus ziehen lässt, besteht daher darin, wie es die italienische Historikerin Luisa Passerini formuliert hat, dass wir in Europa unsere Erinnerungskulturen „sharable“ („teilbar“) machen. Nur unter dieser Bedingung und auf der Basis einer gegenseitigen Anerkennung wird es möglich sein, sich auf der Suche nach einer europäischen „juste mémoire“ (Paul Ricoeur) zu begeben, d.h. nach einer Erinnerungskultur, die gleichzeitig richtig, gerecht und ausgewogen ist.(33)
Das alles sind Ansätze, die uns erlauben, das heutige Europa nicht nur als Erinnerungsraum, sondern auch als eine in vieler Hinsicht schon bestehende Erinnerungsgemeinschaft zu verstehen.(34) Geschichte und Zukunft sind offen. Es kommt daher auf jeden von uns an und hängt auch von jedem von uns ab, als Bürger und Bürgerin dafür zu sorgen, dass aus der europäischen Erinnerungsgemeinschaft eine echte und zukunftsorientierte europäische Gemeinschaft entsteht. Eine anspruchsvolle Herausforderung, ohne Zweifel, aber eine, die sich lohnt!
(1) Marie-Louise von Plessen (Hg.), Idee Europa Entwürfe zum „Ewigen Frieden“, Katalog zur gleichnamigen Ausstellung des Deutschen Historischen Museums Berlin (25. Mai bis 25. August 2003), Berlin, Henschel Verlag, 2003
(2) Etienne François und Thomas Serrier (Hg.), Europa – notre histoire, Paris, Les Arènes, 2017
(3) Pierre Nora (Hg.), Les lieux de mémoire, Paris, Gallimard, 1984-1992.
(4) Etienne François und Hagen Schulze (Hg.), Deutsche Erinnerungsorte, München, Beck, 2001
(5) Als Mitherausgeber fungierten: Prof. Dr. Akiyoshi Nishiyama (Tokyo) und Prof. Dr. Valérie Rosoux (Louvain) für den ersten Band, Prof. Dr. Pierre Monnet (Paris/Frankfurt a.M.) und Prof. Dr. Olaf Rader (Berlin) für den zweiten Band und Prof. Dr. Jakob Vogel (damals Paris, heute Berlin) für den dritten Band.
(6) Jürgen Gerhard (Hg.), Kollektive Erinnerungen der europäischen Bürger im Kontext von Transnationalisierungsprozessen. Deutschland, Groß Britannien, Polen und Spanien im Vergleich, Springer Fachmedien, Wiesbaden, 2017.
(7) Hagen Schulze, Staat und Nation in der europäischen Geschichte, München 1994; Etienne François, Hannes Siegrist und Jakob Vogel (Hg.), Nation und Emotion Deutschland und Frankreich im Vergleich, 19. und 20. Jahrhundert, Göttingen 1995; Dieter Langewiesche, Nation, Nationalismus und Nationalstaat in Deutschland und Europa, München 2000; Jakob Vogel, „Empire et nation: un débat jamais tranché“, in: Etienne François und Thomas Serrier (Hg.), Europa – notre histoire (wie Anm. 2), S. 641-654.
(8) Alan Milward, The European Rescue of the Nation-State, London 1992.
(9) Etienne François, « Un seul Dieu tu adoreras », in: Europa – notre histoire (Anm. 2), S. 333-349
(10) Etienne François « 1054 ou les deux Rome » und « Luther, Ignace, Calvin : la passion du salut », in : Europa – notre histoire (Anm. 2), S. 755-768 und 685-700.
(11) Thomas Brose, « Lumières, Enlightenment, Aufklärung, Haskalah… », in : Europa – notre histoire (Anm. 2) S. 229-242.
(12) Jürgen Kocka, « Le capitalisme par-delà le bien et le mal », in: Europa – notre histoire (Anm. 2) S. 1143-1158.
(13) Thomas Serrier, « ‘L’histoire de l’Europe est celle de ses frontières’ », in : Europa – notre histoire (Anm. 2) S. 737-750.
(14) Emmanuel Droit, Die Shoah : Von einem westeuropäischem Erinnerungsort zu einem transeuropäischen Erinnerungsort ?», in: Kirstin Buchinger, Claire Gantet und Jakob Vogel (Hg.), Europäische Erinnerungsräume, Frankfurt/M. 2009, S. 257-266.
(15) Krzysztof Pomian, L’Europe et ses nations, Gallimard, Paris, 1990, S. 7.
(16) Arnold Esch, « Rome : histoire d’une ville, histoire du monde », in : Europa – notre histoire (Anm. 2) S. 357-366.
(17) John Tolan, « L’islam : le même et l’autre de l’Europe », in : Europa – notre histoire (Anm. 2) S. 387-404, und „Mahomet l’Européen : histoire des représentations du Prophète en Occident“, Paris 2018.
(18) Es sei in diesem Zusammenhang auf die eindrucksvolle doppelsprachige kritische Herausgabe der Novelle von Diderot Le neveu de Rameau hingewiesen, die zuerst auf Deutsch in einer Übersetzung von Goethe erschien und deren Original erst viel später in Russland entdeckt wurde: Jacques Brechtold und Michel Delon (Hg.), Diderot, Goethe, de Saur et Saint-Geniès „Le neveu de Rameau, Rameaus Neffe, Satire seconde“, édition des trois textes, Fayard, ‚“Ouverture bilingues“, Paris, 2017.
(19) Simone Blaschka-Eick, « America terre promise », und Catherine Wihtol de Wenden, « va et vient », in : Etienne François und Thomas Serrier, Europa – notre histoire (Anm. 2), S. 1059-1074 und 1349-1360.
(20) Milan Kundera, Le rideau, Paris 2005, S. 27-28 (Deutsch : Der Vorhang, München 2005, S. 26).
(21) Alan Forrest, Etienne François, Karen Hagemann (Hg.), War Memories The Revolutionary and Napoleonic Wars in Modern European Culture, Palgrave Macmillan, Basingstocke, 2012.
(22) Als Beispiele dazu sei auf folgende Beiträge hingewiesen : Sandrine Kott, « La citoyenneté sociale », Christof Mandry, « Les droits de l’homme, une grande idée », Javier Gómez-Montero « Saint-Jacques, le sens du chemin », Jürgen Trabant, « Babel ou le Paradis : les langues de l’Europe », Kapil Raj, « Quand l’Amérique a inventé la science européenne », Willem Frijhoff, « Le savoir hors de l’Eglise et de l’Etat », Dominique Poulot, « Le musée au risque de la mémoire », in : Europa – notre histoire (Anm. 2), S. 205-214, 219-228, 681-684, 887-900, 1089, 1102, 1215-1230, 1293-1310.
(23) Jay Winter, « L’Europe des génocides », Mike Plitt und Thomas Serrier, « Les disparus », Mike Plitt, « Le dissident, celui qui vit dans la vérité », Cécile Kovaschazy, « L’amour libre : Carmen », Dominique Bourel, « Le Juif errant », in : Europa – notre histoire (Anm. 2), S. 121-132, 133-136, 155-162, 669-672, 775-778. Vgl. auch das einleuchtende Buch von Daniel Schönpflug, Die Heiraten der Hohenzollern. Verwandschaft, Politik und Ritual in Europa, 1640-1918, Göttingen 2013.
(24) Aus diesem Grund haben Thomas Serrier und ich in unserem Buch für zahlreiche Artikel über unterschiedliche Städte als europäische Erinnerungsorte gesorgt, so über Rom, London, Brüssel, Venedig, Nürnberg, Prag, Manchester und Lodz oder auch Vilnius.
(25) Die Thematik der globalen Dimension der europäischen Gedächtniskulturen wird ausführlich behandelt im dritten Band unseres Werkes, den wir „Mémoires-Monde“ genannt haben, S. 947-1381. Zur Frage der Restitution der afrikanischen Kunstwerken vgl. das Buch von Felwine Sarr und Bénédicte Savoy, Restituer le patrimoine africain, Paris, Le Seuil, 2018.
(26) Etienne François, « Résistants et collaborateurs : la mémoire des mots » und Mike Plitt und Thomas Serrier, « Les lendemains qui déchantent », in : Europa – notre histoire (Anm. 2), S. 81-96 und 137-148.
(27) Valérie Rosoux, « Comment faire la paix », in : Europa – notre histoire (anm.2), und Adam Krzeminski, « Der Kniefall », in : Etienne François und Hagen Schulze (Hg.), Deutsche Erinnerungsorte, Bd. I, München, Beck, 2001, S. 638-653.
(28) Etienne François, Kornelia Kończal, Robert Traba und Stefan Troebst (Hg.), Geschichtspolitik in Europa seit 1989. Deutschland, Frankreich und Polen im internationalen Vergleich, Göttingen, Wallstein, 2013.
(29) Dieter Langewiesche, Nation, Nationalismus, Nationalstaat in Deutschland und Europa, München, Beck, 2000, und Id.: Reich, Nation und Föderation, Deutschland und Europa, München, Beck, 2008; Ulrike Guérot, Warum Europa eine Republik werden muss. Eine politische Utopie, Piper, Bonn, 2017.
(30) Claudia Weber, « Le pacte germano-soviétique: un tabou » und Włodimierz Berodziej, « La trahison de Yalta », in: Europa – notre histoire (Anm. 2), S. 77-80 und 97-106.
(31) François Furet, Le passé d’une illusion. Essai sur l’idée communiste au XXe siècle, Paris, Robert Laffont und Calmann-Lévy, 1995, und Claus Leggewie und Anne Lang, Der Kampf um die europäische Erinnerung, München, Beck, 2011.
(32) Tzvetan Todorov, La peur des barbares. Au-delà du choc des civilisations, Paris, Robert Laffont, 2008.
(33) Paul Ricoeur, La mémoire, l’histoire, l’oubli, Paris, Le Seuil, 2000 (Deutsch: Gedächtnis, Geschichte, Vergessen, Paderborn 2004).
(34) Aleida Assmann, Der europäische Traum. Vier Lehren aus der Geschichte, München, Beck, 2018, Kiran Klaus Patel, Projekt Europa Eine kritische Geschichte, München, Beck, 2018; Wolfgang Schmale, Was wird aus der Europäischen Union? Geschichte und Zukunft, Stuttgart, Reclam, 2018.